Die Handwerkskammer Kassel ruft die Landespolitik in Hessen zu einem Kurswechsel bei den Rückforderungen der Corona-Soforthilfen auf. Das vor Kurzem begonnene Rückmeldeverfahren führe bei betroffenen Betrieben zu massiven Verunsicherungen und Sorgen. Hauptgeschäftsführer Jürgen Müller fordert eine praxistaugliche, rechtssichere und sozial ausgewogene Vorgehensweise, die der besonderen Situation der betroffenen Betriebe gerecht wird.
„Die Pandemie war für viele Unternehmen eine Ausnahmesituation ohne Vorbild. Staatliche Eingriffe zum Schutz der Gesundheit haben ganze Branchen zeitweise lahmgelegt. Daraus folgt auch eine Verantwortung des Staates, die wirtschaftlichen Folgen angemessen mitzutragen“, betont Müller. „Betriebe brauchen Lösungen, die verlässlich, unbürokratisch und fair sind.“
Zum Hintergrund: Im Frühjahr 2020 standen Kleinstbetriebe, Selbstständige und Handwerksunternehmen wegen des Lockdowns vor abrupten Umsatzeinbrüchen. Betriebsschließungen, Kontaktverbote und massive Auftragseinbrüche brachten viele in existenzielle Notlagen. Um schnell Hilfe zu leisten, legte der Staat ein Soforthilfe-Programm auf – dargestellt als unbürokratische Überbrückung in einer akuten Krisensituation.
Viele Empfängerinnen und Empfänger der Soforthilfen sehen sich nun, mehr als fünf Jahre später, mit Rückforderungen konfrontiert. Bei der Handwerkskammer Kassel gehen zu dem Rückmeldeverfahren aktuell viele Beratungsanfragen von Betriebsinhaberinnen und -inhabern ein. Besonders betroffen sind etwa Friseur- und Kosmetikbetriebe, die während des Lockdowns wochenlang keine Einnahmen hatten, jedoch Fixkosten tragen mussten. Die strengen Modalitäten, mit denen das damals ausgezahlte Geld jetzt zurückgezahlt werden soll, stelle insbesondere für Soloselbständige eine derart große Hürde dar, dass einige Handwerkerinnen und Handwerker ein weiteres Mal in finanzielle Schieflage geraten oder um ihre Unternehmen bangen, weiß die Handwerkskammer aus den Beratungsgesprächen.
Kritik übt der Hauptgeschäftsführer auch an der sehr kurzen Rückmeldefrist von 14 Tagen, mit der ein unnötiger Druck aufgebaut werde. Auf die Möglichkeit einer Fristverlängerung müsse deutlicher hingewiesen werden, fordert Müller. Ebenso appelliert er an das Land Hessen, betroffenen Betrieben für die Rückforderungen grundsätzlich eine Ratenzahlung einzuräumen.
Bereits 2020 bei der Auflage der Soforthilfen hatte die Handwerkskammer Kassel den Staat zu Augenmaß bei der Verfolgung nicht korrekt gestellter Anträge aufgefordert. Die Ausnahmesituation mit immer wieder veränderten Richtlinien und unklaren Auslegungen habe Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt.
Schon damals hatte das Handwerk appelliert, dass ein pauschaler Unternehmerlohn sowie die Personalkosten über die staatlichen Hilfsprogramme geltend gemacht werden dürfen. In Hessen wurden diese Anliegen nicht aufgegriffen. Genau diese Punkte erwiesen sich nun im Rückmeldeverfahren als Problem, so Jürgen Müller. Er verweist darauf, dass Verwaltungsgerichte in einigen Bundesländern bereits Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Rückforderungen geäußert haben.
Die Handwerkskammer Kassel fordert das Land Hessen auf, Gestaltungsspielräume zu nutzen, um das Prüf- und Rückzahlungsverfahren so fair und unbürokratisch wie möglich zu gestalten. Insbesondere gelte es, Stundungs- und Erlassmöglichkeiten sowie Härtefallregeln einzuräumen. Ein Erlass von Bagatellbeträgen, etwa unter 3000 Euro, könnte vor allem kleine Betriebe entlasten. Zudem sollte die Rückmeldefrist für die betroffenen Betriebe verlängert werden.
„Es geht nicht nur um das Überleben von Betrieben in einer wirtschaftlichen Situation, die heute erneut angespannt ist, sondern auch um die Wahrnehmung von staatlichem Handeln“, so Hauptgeschäftsführer Müller. „Wenn die Politik die Sorgen der Betriebe ernst nimmt und gezielt handelt, wird das Vertrauen in staatliches Handeln gestärkt.“
Kontakt:
Handwerkskammer Kassel
Katja Rudolph
Stabsstelle Kommunikation
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Scheidemannplatz 2
34117 Kassel
Tel.: +49 561 7888 114
Fax: +49 561 7888 20114
Email: katja.rudolph@hwk-kassel.de
Internet: www.hwk-kassel.de
