Frank Dittmar

Grundlegende Reformen zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft hat Handwerkspräsident Frank Dittmar bei der Vollversammlung der Handwerkskammer Kassel gefordert. „Wir brauchen kein Stückwerk. Wir brauchen endlich einen großen Wurf, der mit Mut und Weitsicht grundlegende Weichenstellungen trifft“, sagte Dittmar vor dem Parlament des regionalen Handwerks, das am Dienstagnachmittag (9. Dezember) im BZ Bildungszentrum in Kassel-Waldau tagte. „Stattdessen werden Milliarden in marode Systeme gesteckt, weil sich keiner ernsthaft traut, zum Befreiungsschlag anzusetzen“, so der Kammerpräsident.

Er brachte damit seine wachsende Skepsis zum Ausdruck, ob das sogenannte Sondervermögen die Wirtschaft wirklich ankurbeln werde. Bislang sei von positiven Impulsen im Handwerk nichts zu spüren. „Wir können noch so viel Geld freisetzen – ohne grundlegende Reformen wird es nicht aufwärts gehen“, sagte Dittmar. Angesichts einer überhandnehmenden Bürokratie sowie hohen Steuern und Abgaben fordert das Handwerk seit Jahren Entlastungen für die Betriebe. Der Wille zum Bürokratieabbau sei in Berlin und Wiesbaden zwar erkennbar, so Dittmar. „Doch die Umsetzung ist schwierig, wenn wir nicht auf allen Ebenen von einer Vollkasko- und Kontroll-Mentalität zu einer Kultur kommen, die von Vertrauen auch in unternehmerisches Handeln geprägt ist.“

Die aktuelle Diskussion um die Rentenpläne der Bundesregierung habe einmal mehr die Dringlichkeit von umfassenden Reformen der sozialen Sicherungssysteme gezeigt, sagte der Kammerpräsident. Hierbei sei es kontraproduktiv, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gegeneinander
auszuspielen. „Das Handwerk ist das beste Beispiel dafür, dass man dann etwas bewegen kann, wenn beide Seiten an einem Strang ziehen.“ In der Vollversammlung und allen Gremien der Handwerkskammer treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam die Entscheidungen. Für einen zukunftsfähigen Sozialstaat seien Änderungen bei der Finanzierung unvermeidbar, fuhr Dittmar fort. Die aktuellen Beitragssätze zur Sozialversicherung von mehr als 42 Prozent und einer weiter steigenden Tendenz seien für das lohnintensive Handwerk ein Riesenproblem.

„Der Faktor Lohn wird in Deutschland so stark belastet wie kaum anderswo“, kritisierte Dittmar. Anders als in der Industrie machten die Lohnkosten in manchen Handwerksbetrieben bis zu 80 Prozent der Gesamtkosten aus. Hinzu kämen stark gestiegene Material- und Energiepreise. „Was nützt uns das beste Handwerk, wenn es sich irgendwann keiner mehr leisten kann?“, fragte der Kammerpräsident. Derzeit bekomme der Job-Abbau in der Industrie und in Großunternehmen viel Aufmerksamkeit von Politik und Medien. Dittmar warnte vor einem schleichenden Verlust von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben. „Die Großen bauen öffentlichkeitswirksam ab, die Kleinen schließen leise.“ Ein Drittel der zulassungspflichtigen Handwerksbetriebe in Nord-, Ost- und Mittelhessen stehe bis 2034 altersbedingt zur Übergabe an. Zugleich
beobachte man, dass die Bereitschaft von Meisterinnen und Meistern nachlasse, in die Selbstständigkeit zu gehen. Sogar erfolgreichen Betriebsinhaberinnen und -inhabern gehe zunehmend die Lust am Unternehmertun aus, beobachtet Dittmar. Abschreckend wirkten dabei insbesondere die bürokratischen Belastungen bei der Betriebsführung in Form von umfangreichen Nachweis-, Dokumentations- und Informationspflichten.

Vor diesem Hintergrund unterstrich er den außerordentlichen volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beitrag, den das Handwerk für die Region leiste. Trotz der anhaltenden konjunkturellen Flaute hielten die meisten Betriebe weiter an ihren Mitarbeitenden fest. Im Kammerbezirk sind rund 89.000 Menschen in 17.700 Handwerksbetrieben beschäftigt. Sie erwirtschafteten im vergangenen Jahr einen Umsatz in Gesamthöhe von 11,8 Milliarden Euro. Auch die Ausbildungsbereitschaft im Handwerk ist weiterhin hoch. Insgesamt gibt es rund 7000 Auszubildende im Kammerbezirk. „Wir stellen Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Fläche und tragen damit auch zum Erhalt von Infrastruktur im ländlichen Raum bei“, betonte Dittmar. Angesichts der demografischen Entwicklung appellierte er an die Betriebe, bei der Ausbildung nicht nachzulassen. „Wir müssen in unseren Bemühungen um beruflichen Nachwuchs noch eine Schippe drauflegen, wenn wir in den kommenden Jahren noch genug Fachkräfte haben wollen.“ Das Handwerk biete sehr gute berufliche Perspektiven. „Wir werden für die großen Zukunftsthemen gebraucht, und der Kern unserer Arbeit wird sich nicht durch KI ersetzen lassen.“

Die Vollversammlung beschloss einstimmig den Nachtragshaushalt für 2025 sowie den Haushaltsplan und den Kammerbeitrag für 2026. Hauptgeschäftsführer Jürgen Müller berichtete unter anderem, dass im Frühjahr die energetische Sanierung des Kammergebäudes am Scheidemannplatz startet.

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